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 Was sind Bedürfnisse? 19.08.2003 (16:12 Uhr) HeinzBuerkert
 Re: Was sind Bedürfnisse? 25.08.2003 (15:27 Uhr) HeinzBuerkert
 Re: Was sind Bedürfnisse? 27.08.2003 (21:51 Uhr) HeinzBuerkert
"Was sind Bedürfnisse und welche Art der Wahrnehmung liegt zugrunde?"

Dass was ich mit den Jahrenüber mich, über andere und über die um-Welt lerne, prägt mein Selbst-, Fremd- und Welt-Bild.
Einiges geht verloren, Einprägsames dagegen setzt sich am Grunde meines Unbewussten ab. Z.B. werde ich solange auf eine bestimmte Weise angesprochen (von Eltern, Lehrern etc.) bis ich selbst sage: "ICH habe den An-spruch, ... !".  Ich habe es also verinnerlicht und glaube es kommt von/aus mir selbst.
Diese mehr unbewussten als bewussten Selbst-, Fremd- und Weltbilder die sich in inneren Grund-Sätzen manifestieren (also Interpretationen die ich von anderen übernommen habe oder eigene selbst-Erklärungen, wenn ich mir allein einen Reim darauf machen musste) spannen meinen Wahrnehmungshorizont auf, vor dem ich in der Lage bin, Bekanntes wieder zu erkennen (und mich sicher/angstfrei zu fühlen) oder durch Unbekanntes/Fremdes verwirrt/verängstigt zu sein. Dieser Wahrnehmungshorizont bestimmt/begrenzt meine "selektive Wahrnehmung".

Dieser Wahrnehmungshorizont ist keine glatte Ebene, sondern hat ca. 10-20 Vertiefungen, ich nenne sie mal "Wahrnehmungs-Trichter".
Diese sind verbunden, mit dem WAS MIR BESONDERS WICHTIG IST.

Auf der negativ verwurzelten Seite gibt es schmerzhafte Ereignisse in Kindheit/Jugend, wo ein Kind einen (mitunter dauerhaften oder einmaligen, aber traumatischen) schweren Mangel erlebt hat, d.h. bestimmte Bedürfnisse sind zu kurz gekommen.
Hat zum Beispiel SCHUTZ gefehlt, kann sich der korrespondierende Grund-Satz "Ich bin schutz-los" bilden. So wird eine in dieser Hinsicht individuell schwerer gewichtete Bedürftigkeit eine (mitunter lebenslange) unbewusste Empfindlichkeit ausprägen, quasi ein "wunder Punkt", dessen situative Berührung, den damit verbundenen Film auslöst und man rutscht - schwups - in den zuge-hörigen Trichter und bleibt erst mal stecken - unbewusst.
(Manchmal induziert man dieses Erleben selbst = selbsterfüllende Prophezeihung. Warum? Lieber das bekannte Unglück (wieder erleben) = traurige Selbst-Sicherheit, als das unbekannte Glück finden (= Angst erregend).
Und das [wortwörtliche!] "heraus finden" aus dem Trichter ist nicht leicht. Es geht natürlich leichter, wenn ich diesen (schmerzhaften) Weg schon einmal bewusst gegangen bin.

Meine Erfahrung ist, dass, wenn ich mein "dreckiges Dutzend" der für mich wichtigsten Grund-Sätze ent-deckt habe (und dazu muss man in die Drachenhöhle des eigenen Verstandes um mit den schmerzhaftesten Gefühlen, die damit verbunden sind, zu ringen: das ist harte aber wichtige Arbeit), dass ich dann im Fall des Falles (beliebiges Ereignis löst ein Wurzel-Drama aus = Wolfsshow nach Marshall R.) meine "alten Pappenheimer" leichter erkennen und (immer öfter) klar identifizieren kann und das ermöglicht die Wendung meiner Not, um wieder handlungs- und kommunikationsfähig zu werden. Ich stecke nicht mehr im Trichter fest, sondern kann selbst aktiv heraus und wieder zur Oberfläche zurück finden.

Das war bezogen auf den Ur-Mangel = verwurzeltes Bedürfnis. Es gibt auch eine (individuell abhängige) Anzahl positiver Trichter, aber das ist ja hier nicht das Thema. das funktioniert quasi achsengespiegelt ;-)

Es gibt nun mehrere Zugänge zu diesen verwurzelten Grund-Sätzen, die (z.T. oder ganz?) MEINEN individuellen Grund-Bedürfnissen entsprechen, die meine wichtigsten Wahrnehmungstrichter ausbilden:
a) den zugrunde liegenden Ur-Mangel = Bedürfnis erkennen, "sehen"
b) kognitive Verhaltenstherapie
c) Focusing
d) u.a.

Neben dem WAS MIR WICHTIG IST, gibt es natürlich das restliche Bedürfnis-Spektrum, was ich auch brauche, wie andere "normale" Menschen auch ;-)

Es führen also mehrere Wege zum Ziel. - Und je mehr ich kenne, um so besser kann ich mir selbst (und ggf. anderen) helfen und muss seltener (professionelle) Hilfe in beanspruchen.

Auch in seiner "Unschärfe" ist das GFK-Modell schon hilfreich.
Eine Frage ist, ob eine konstruktive Kritik helfen könnte, ein irreduzibles, für jeden Menschen gültiges Bedürfnis-Spektrum zu beschreiben auf Grundlage einer eindeutigen Bedürfnis-Definition.

Denn die Unschärfe von Begriffen und fehlende Definitionen stehen bei Marshall im klaren Widerspruch zu der Aufforderung, spezifische und genaue Begriffe zu verwenden.

Marshall bezieht sich manchmal auf einen südamerikanischen Ökonomen (Hr. Max-Neef), der eine Bedürfnis-Struktur auf ökonomischer Basis entwickelt hat. Er benennt 9 Grund-Bedürfnisse:

1. basic physical = körperliche Grundbedürfnisse
2. protection/safety = Schutz/Sicherheit
3. love = Liebe
4. understanding = Verstehen, Verständnis, (Verständigung?)
5. honesty = Ehrlichkeit
6.      ?      = Geborgenheit
7.      ?      = Ruhe/Erholung
8.      ?      = Kreativität / schöpferisches Tun
9. autonomy = Autonomie/Selbst-Bestimmung

Und Marshall ergänzt noch das nach Victor Frankl wichtigste Bedürfnis:
10. Das nach einem (Lebens-Sinn / Zweck des Daseins).


Wenn ich mir das Spektrum spontan anschaue, dann fehlt mir persönlich "Vertrauen".
Das gehört für mich in MEIN persönliches Bedürfnis-Spektrum. Könnte man es oben zu-ordnen?
Nein, ich glaube nicht direkt.

Und nach meiner Ansicht ist "Liebe" kein singuläres Bedürfnis, sondern ein polysemantischer Sammelbegriff (analog "Glück") für ein individuell gewichtetes Bedürfnis-Spektrum.
Liebe ist für mich mehr eine Fähigkeit und eine Tätigkeit, eine giraffentänzerische Grundhaltung.
Die Frage wäre für mich: Welche Bedürfnisse assoziieren die einzelnen Menschen zum Sammel- Begriff "Liebe"? Z.B. könnte man "Sexualität" zu Nr.1 = körperliche Grundbedürfnisse zuordnen. Und für manche gehört auch Nr. 6 = Geborgenheit zur Liebe dazu, es stünde also nicht allein. Und so könnte man weiter machen ... ;-)

Max-Neef weist die RICHTIGE RICHTUNG: Wirklich wenige zentrale GRUND-Bedürfnisse zu finden, um klarer und einfacher zu den Wurzeln (und wieder zurück) zu finden.
Aber der Weisheit letzter Schluss scheint es mir noch nicht zu sein.

Und wenn man nicht blind "glauben" möchte, dann lohnt es sich - mit der Zeit - sich einer etwas klareren Bedürfnis-Ordnung anzunähern.

Wenn man z.B. die Dreiteilung der WHO bzgl. Gesundheit zugrunde legt: biologisch, psychisch und sozial, dann kann man versuchen, die obigen 10 Bedürfnisse zuzuordnen.
(Mir fehlt jetzt die Zeit.)

Aber spontan fällt mir auf, dass für die Psyche "Autonomie = Selbst-Bestimmung" wichtig ist.
Korrespondierend wäre im sozialen Zusammenhang "Mit-Bestimmung" ein wichtiges Bedürfnis, denke ich (wer ist hier der Bestimmer, wer hat das sagen, übt (in)direkt Macht = eine Form von Gewalt aus?). Was andere UND mich betrifft, dazu möchte ich meine Stimme zu erheben, gehört werden und einen Konsens/Lösung finden, bis es für mich und die anderen stimmig ist, gell?
Und findet sich "Mit-Bestimmung" in "understanding" wieder? Oder werden da andere Schwerpunkte sichtbar?
(Auch das wäre interessant, mal genauer zu untersuchen.)

Um wirklich eine Basis zu haben von der mensch operieren kann, braucht es meiner Meinung nach eine klare DEFINITION was ein Bedürfnis ist und was nicht. Und entsprechende Kriterien, um die mehr oder minder vielen Begriffs-Kandidaten zu prüfen.

Natürlich kann man auch mit der "Unschärfe" leben, da auch auf dieser Basis schon wesentliche, empathische Unterstützung und Erleichterung ermöglicht wird.

Ich persönlich möchte aber "Klarheit" (ist das ein Bedürfnis?), d.h. eine ein-leuchtende Bedürfnis-Ordnung,
wo ich ein inneres "JA, das ist es!" spüre.

Um es mit Goethe zu sagen:
"Die Menschen werden es der Wahrheit nie verzeihen, dass sie letztlich so einfach ist."

So, ich habe erst einmal genug Anregungen gegeben, oder? Ich werde es so ungeprüft loslassen und freue mich auf ein Echo ...

auf wiedertanzen, Heribert ;-)
 undefiniertes "Bedürfnis" 14.09.2003 (17:52 Uhr) HeinzBuerkert
 Sicherheits- Bedürfnisse 15.09.2003 (14:22 Uhr) HeinzBuerkert
 Re: Was sind Bedürfnisse? 13.12.2004 (21:23 Uhr) Linde
 Re: Was sind Bedürfnisse? 15.12.2004 (13:05 Uhr) HeinzBuerkert
 Re: Was sind Bedürfnisse? 21.03.2005 (19:38 Uhr) Linde
 Re: Was sind Bedürfnisse? 23.03.2005 (11:53 Uhr) HeinzBuerkert

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