| Verbandschef Heesen warnt vor neuen Einschnitten und schließt Fundamentalopposition nicht aus
Von Thomas Sigmund, Handelsblatt
Die Kosten für Beamtenpensionen drohen aus dem Ruder zu laufen. Daran wird auch die Reform des Beamtenrechts wohl nichts ändern.
BERLIN. Laut dem bisher unveröffentlichten dritten Versorgungsbericht von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) steigt die Zahl der Pensionäre bei Bund, Ländern und Kommunen in den nächsten 35 Jahren von derzeit 890 000 auf rund 1,6 Millionen. Dem Bericht zu Folge sind bereits in den letzten Jahren die Ausgaben für die Altersversorgung drastisch gestiegen. Beliefen sich die Kosten 1970 noch auf 6,6 Mrd. Euro, waren es 2002 bereits rund 34 Mrd. Euro – ein Plus von 413 Prozent. Der Bericht liegt dem Handelsblatt vor. Der Chef des Beamtenbundes, Peter Heesen, warnte trotzdem davor, die Beamtenpensionen über das bisher bereits vereinbarte Maß hinaus zu kürzen. „Wer die vereinbarte Reform des Beamtenrechts aufkündigt, muss sich nicht über eine fundamentale Opposition wundern,“ sagte Heesen dem Handelsblatt.
Der starke Anstieg geht laut dem 500-Seiten-Bericht, der einmal pro Legislaturperiode vorgelegt werden muss, auf die gewachsenen Ansprüche an den Staat sowie die Ausweitung der öffentlichen Ausgaben, vor allem in Schulen, Hochschulen und bei der Polizei zurück. Eine Rolle spielten auch die zunehmende Verbeamtung in Ostdeutschland und die Aufnahme einer Million Ostdeutscher in die Zusatzversorgung, heißt es im Bericht. Von 1960 bis 2002 stieg die Zahl der Beamten von 666 300 um 138 Prozent auf rund 1,5 Millionen. Die Zusatzversorgung zählte 2002 mit 4,822 Millionen fast 200 Prozent mehr Pflichtversicherte als 1970.
Die harsche Reaktion des Beamtenbundchefs folgt auf einen Vorschlag von Bert Rürup. Der Chef des Sachverständigenrats hatte vor kurzem angesichts der künftigen Haushaltslasten eine Senkung der Beamtenpensionen um ein Sechstel gefordert. „Die Kaufkraft der Renten verringert sich gemessen an der derzeitigen Situation durch die beschlossenen Reformen in den kommenden 25 Jahren um etwa ein Sechstel. In dieser Größenordnung müssten auch die Beamtenpensionen abgesenkt werden“, so Rürup. Ein Vorschlag der über die bislang vereinbarte Reform des Beamtenrechts weit hinaus ginge.
Heesen sagte dazu: „Das wäre ein klarer Bruch der Vereinbarungen, die wir mit dem Bundesinnenminister geschlossen haben.“ Danach würden ja jetzt schon die Einschnitte bei den Renten wirkungsgleich auf die Pensionen übertragen, wie es seit 1990 stets geschehen sei. „Rot-Grün soll sich genau überlegen, ob sie den Vorschlägen dieser Experten folgen will.“ Heesen erwarte auch eine eindeutige Antwort von Schily. Eine Stellungnahme aus dem Ministerium war gestern allerdings nicht zu erhalten.
Der Verbandschef verwies nochmals darauf, dass der aktuelle Versorgungsbericht auf dem Stand von 2003 sei. „Er berücksichtigt weder die Pensionskürzungen des bereits beschlossenen Versorgungsänderungsgesetzes, noch die Einschränkungen durch das Versorgungsnachhaltigkeitsgesetz“, sagte Heesen.
Zudem würde heute von den Beamten ebenso wie von Angestellten in der Privatwirtschaft gefordert, einen Teil ihrer Altersvorsorge selbst zu finanzieren. Laut dem Chef des Beamtenbunds habe es die öffentliche Hand versäumt, die nötigen Rücklagen für ihre Beamten zu bilden. Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, werde „deutlich, dass die bisherigen Maßnahmen zur langfristigen Stabilisierung der Beamtenversorgung nicht ausreichen“. Allein die wachsende Zahl von Ruheständlern in Bund, Ländern und Gemeinden lasse die Ausgaben bis 2030 um rund 50 Prozent ansteigen, bei den Ländern sogar um 70 Prozent – trotz der 2001 vorgenommenen Abstriche.
Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte hat auch der Zeitpunkt des Ruhestandes. Wegen der 2001 eingeführten Abschläge bei vorzeitigem Ausscheiden quittierten im Jahr 2002 Beamte im Schnitt erst wieder mit 60,3 Jahren den Dienst. Fast jeder dritte Beamte schied jedoch wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig aus. Nur 17,6 Prozent erreichten die Regelaltersgrenze. Besonders hoch ist der Anteil krankheitsbedingter Frühpensionierungen bei Lehrern.
Quelle: HANDELSBLATT, Donnerstag, 19. Mai 2005 |