| | | > Als nächstes erzähl ich gern von meinem zweiten Erlebnis. > Das passt auch in die Jahreszeit, es war nämlich am > 06.12., also Nikolaustag. Zu dem Zeitpunkt war das erste > Erlebnis so etwa zwei Wochen her. Ich hatte zunächst > Angst gehabt, dass ich jetzt regelmäßiger Opfer solcher > Aktionen werden würde, aber außer ein bis zwei hämischen > Sprüchen kam nichts weiter. Bis dann eben zu jenem > Morgen. > In der dritten Stunde gab es recht unerwartet eine > Durchsage unseres Abijahrgangs. An meiner Schule war es > üblich, dass sich der älteste Jahrgang immer mal ein paar > Dinge einfallen ließ wie Hotdog-Verkäufe oder > dergleichen. Nun wurde also verkündet, dass in der > kommenden kleinen Pause alle Schüler*innen ihren linken > Schuh vor die Tür stellen sollten, um eine Überraschung > zu erhalten. Dabei wurde das "nur den linken" betont - > später sollte das noch eine Rolle spielen. > Mich hat die Durchsage ziemlich erschreckt. Nur zu gut > erinnerte ich mich daran, wie peinlich es mir gewesen > war, ohne meinen Schuh dazustehen. Gleichzeitig meldete > sich bei mir auch wieder dieses seltsam kribbelige > Gefühl. Unsicher blickte ich mich um. Auch viele andere > sahen etwas ratlos aus. Ob sie alle der Einladung > nachkommen würden? Ich schluckte. Nein, selbst dann würde > ich es nicht tun. Ich würde einfach beide Schuhe > anbehalten, an meinem Platz bleiben und nicht auffallen, > so wie ich es auch sonst tat. Das Risiko war sonst > einfach zu groß, dass ich wieder Opfer irgendwelcher > Späße würde, dachte ich mir. Damit verkalkulierte ich > mich. > In der Pause sprangen die meisten meiner Klassenkameraden > sofort auf. Es gab ein ziemliches Gewusel an der Tür und > bald darauf kamen die ersten wieder; einige gingen jetzt > etwas schief, andere hüpften einbeinig herum, wieder > andere liefen einfach ganz normal auf ihrem nun > unbeschuhten linken Fuß. Ich fühlte wieder so ein > seltsames Kribbeln und es juckte mich fast an der linken > Sohle, aber stoisch richtete ich mein Heft wieder auf die > Aufgaben für die nächste Stunde. So strömten die meisten > anderen an mir vorbei und nahmen wieder Platz. Auch Malte > und Nicklas waren schon wieder auf ihren Plätzen. Ich > vergaß schon fast, warum ich mir Sorgen gemacht hatte, > bis ich die Stimme von Patrick, einem weiteren unserer > "Spaßmacher" hörte: "Hey kleine Streberin, als braves > Mädchen wirst du dich doch nicht etwa fürchten, dass der > Nikolaus dir nichts bringt?" > Erschrocken sah ich auf. Patrick stand direkt vor mir und > grinste auf mich herab, auf eine Art und Weise, die > nichts gutes verhieß. > "Ich.ähm.ich brauch gar keine Schoki oder so.", gab ich > kleinlaut wieder, eine denkbar schlechte Ausrede, denn in > den Pausen mümmelte ich gern mal ein bisschen Rittersport > oder so. > "Der sind nur ihre stinkenden Füße peinlich!", schallte > es von hinten. Nicklas. Ich lief tomatenrot an, bis mir > auffiel, dass die Stimme viel näher war, als sie hätte > sein sollen. Ich drehte mich um und sprang erschrocken > von meinem Stuhl auf, als ich sah, wie sich Nicklas und > Malte den Weg durch die Reihen bahnten. Zwar war ich noch > nicht oft selbst Opfer gewesen, aber ich hatte oft genug > bei den anderen Mädels zugesehen, um zu wissen, was mir > bevorstand. Also fackelte ich nicht lange und versuchte > mir den Weg zur Tür zu bahnen. Wenn ich nur draußen auf > dem Flur lange genug entkommen konnte, bis die Stunde > anfing, wäre ich sicher, dachte ich mir. > Allerdings waren auch meine Verfolger auf Zack. Als sie > mich reißaus nehmen sahen, machten sie selbst sofort > Tempo und es war eine wirklich knappe Geschichte, dass > ich die Klassentür vor ihnen erreichte. Natürlich > amüsierte sich jetzt auch die ganze Klasse über das > Ereignis. Auf dem Gang stürmte ich sofort los, doch die > Jungs waren mir viel zu dicht auf den Fersen. Zum > Verhängnis wurde mir bereits die erste der Flurtüren, da > sich diese von meiner Seite durch Ziehen öffnete und ich > so kurz stehen bleiben musste. Bereits im nächsten Moment > schlossen sich gleich mehrere starke Armpaare um meinen > Körper. Es gab ein richtiges Gerangel, da ich mich heftig > wehrte. Natürlich waren aber die Jungs stärker, > insbesondere zu dritt. Innerhalb kürzester Zeit wurde ich > von der Tür weggezogen und hing komplett schräg in der > Luft. Da merkte ich bereits, dass begonnen wurde, die > Schnürsenkel eines meiner Winterstiefel zu lösen. > "Lasst das, nicht meinen Schuh!" protestierte ich, fand > mich aber schon bald in eine Ecke gedrängt, auf der ich > recht unsanft zu Boden gedrückt wurde, während mein Bein > weiter im Griff eines der Jungen blieb. Wieder konnte ich > nichts tun, als ich merkte, wie sich einer meiner Schuhe > zu lösen begann und wieder spürte ich das Kribbeln und > das surreale Gefühl. Da ich mich weiter wehrte, konnte > ich nicht sehen, wer sich da an meinem Stiefel zu > schaffen machte, aber er ging definitiv effektiver vor > als Malte beim letzten Mal. Der Schuh fühlte sich > zunehmend loser an und dann spürte ich, wie er an der > Hacke und Spitze gepackt wurde. Dann gab es einen kurzen, > entschlossenen Ruck und schon war mein Fuß frei, sowohl > von dem Griff als auch von seinem Schuh. Instinktiv zog > ich ihn zu mir und schob ihn so gut wie möglich unter > mein anderes Bein. Dennoch kam sofort ein hämischer > Kommentar: "Ach guckt mal, sie hat richtig niedliche > Söckchen an!" > Ich errötete, da ich noch wusste, was für ein paar Socken > ich am Morgen nichtsahnend aus der Schublade genommen > hatte. Es war blau und weiß getingelt und mittig auf dem > Ansatz der Zehenpartie war ein kleiner Weihnachtsbaum > aufgenäht. Nicht gerade die Socken, die ich unfreiwillig > vor meiner Klasse zur Schau stellen wollte. Aber bevor > ich mir darüber weitere Gedanken machen konnte, meldeten > sich die Jungs wieder. > "Hey, sollte es nicht der Linke sein?" > "Oh ja, Mist. Haha!" > "Stellen wir doch beide raus, die Kleine hat sich das > doch verdient, so brav wie sie ist." > Was als Nächstes passierte, ist wohl klar. Ich zappelte, > ich protestierte, ich drohte zu petzen, aber trotzdem > waren schnell meine beiden Füße in Ringelsocken zu sehen. > Gegen meinen Willen wurde ich dann auch noch hochgehoben > und zurück Richtung Klassenraum getragen. Ich erinnere > mich gut, wie ich sowohl auf meine Sockfüße als auch auf > meine Stiefel blicken konnte, die Nicklas vor mir in der > Hand trug und schließlich ordentlich neben den restlichen > Schuhen platzierte. Ich kam mir in dem Moment völlig > hilflos und verwundbar vor. Dies steigerte sich noch, als > ich unter Gejohle mit den nun schuhlosen Füßen voran in > die Klasse zurückgetragen wurde. > "Haha, süße Socken!" > "Och, hat Alex ihre Schuhe verloren?" > "Puh, macht mal ein paar Fenster auf!" > Das war so die Art der Kommentare, die ich mir anhören > durfte. An meinem Platz wurde ich wieder abgesetzt und > mir wurde sehr eindringlich verklickert, dass ich bloß > nicht auf die Idee kommen sollte, meine Schuhe vor den > anderen wieder anzuziehen, sonst würde ich noch ganz > andere Sachen erleben. Ich musste anerkennen, dass ich > wohl wirklich keine Wahl hatte. Bald ging also die Stunde > los und ich saß auf Socken da. Das war erstmal nicht so > schlimm, schließlich fehlte auch meinen > Klassenkamerad*innen zumindest ein Schuh. Blöde Sprüche > und Kommentare über bunte Socken gab es also auch unter > den anderen und so fiel ich, wie es meine Art war, bald > kaum mehr auf. Als es dann zur Pause klingelte, lief ich > als eine der ersten hinaus, einigermaßen erleichtert, > dass ich doch recht glimpflich und nur mit ein paar > inzwischen doch recht kalten Füßen davongekommen war. > Leider waren meine Schuhe weg. > Ich suchte ungläubig mit den Augen die aufgereihten > Schuhe ab, in denen nun jeweils ein kleiner > Schoko-Nikolaus steckte. Schnell lichteten sich diese > Reihen, aber trotzdem tauchte kein Paar kleiner > Winterstiefel aus dunkelrotem Wildleder auf. Dafür hörte > ich ein zweites Mal eine Durchsage: "Falsche oder zuviel > abgestellte Schuhe können nach der sechsten Stunde in der > Jahrgangsecke der 13. Klasse abgeholt werden." > Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Sofort brach > wieder Gelächter um mich herum aus, als auch den anderen > klar wurde, was für ein Schicksal mich jetzt ereilt > hatte. Ohne ein weiteres Wort tapste ich in den > Klassenraum zurück und holte meine Tasche und meine > Jacke, da wir die 5. und 6. Stunde in die Bio-Räume > wechseln würden. Ich ging meine Optionen durch. Besser > gesagt, ich stellte fest, dass ich keine hatte. Was mir > blieb war, mich so gut wie möglich von den mich > aufziehenden Anderen zu entfernen und mir eine stille > Ecke in der Pausenhalle zu suchen, wo ich erstmal > schmollte. Gleichzeitig hatte ich ganz schönes Herzrasen > und schaute immer wieder auf meine sockigen Füße. > Seltsam, wie aufregend es sich anfühlte. > Die Pause brachte ich ganz gut durch. Ich sah noch zwei > Jungs, denen jeweils der rechte Schuh fehlte, aber die es > kaum zu stören schien. Im Biounterricht durfte ich mir > dann eine Menge weiterer geistreicher Sprüche anhören und > bemerkte, dass ich beziehungsweise meine Füße auch recht > durchgängig von so einigen beobachtet wurde(n). Sonst > passierte aber tatsächlich weiter nichts und ich konnte > mir zum Schulschluss meine Stiefel wiederholen und mit > meinen inzwischen wirklich ziemlich kalten und auch > dreckigen Füßen hineinschlüpfen. Fast schon schade, dass > ich so nicht nach Hause musste, dachte ich mir insgeheim. Namen vergessen, sorry! XD
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