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 Bürger gegen Bürokratie
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Außer Kontrolle?
Wie riskant ist die neue Arzneiüberwachung?
hr, Dienstag, 8. Mai 2007



Detlef Hutflies würde gerne wieder arbeiten gehen, doch das kann er schon seit Jahren nicht mehr. Diagnose: Schlaganfall. Die Ursache ist vermutlich das Medikament Vioxx, das er jahrelang genommen hatte, bis es plötzlich vom Markt verschwand.

Viele Patienten bekamen durch Vioxx Schlaganfälle, doch Detlef Hutflies wusste zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dieser Nebenwirkung. Er nahm Vioxx wegen seiner Rheumabeschwerden. Kein Mensch konnte sich seinen Schlaganfall erklären.

Die Vioxx-Tabletten nahm er weiter, bis er im Fernsehen die Meldung sah: Vioxx vom Markt genommen. Ein Anruf bei dem Tablettenhersteller brachte Gewissheit: „Da hat man mir gesagt, ich sollte sofort mit den Tabletten aufhören.“
Überwachung und Zulassung
Wie so oft wurden die schweren Folgen erst entdeckt, nachdem bereits tausende Patienten die Pillen geschluckt hatten. Deutsche Ärzte haben etwa 45.000 Arzneimittel zur Auswahl, viele davon sind gefährlich.

Der Pharmakologe Peter Schönhöfer hat so manches Pillen-Desaster vorausgesagt, oft lange, bevor die Mittel vom Markt kamen: „In Deutschland erkranken ungefähr 250.000 Patienten bedrohlich pro Jahr durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Davon 70.000 in Form einer akut lebensbedrohlichen Erkrankung und 16.000 sterben.“

Pharmaindustrie will „eigene“ Agentur etablieren
Zuständig für Zulassung und Überwachung ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das BfArM. Doch das soll jetzt gründlich umgekrempelt werden. Hier lagern 25 Kilometer Akten zu 300.000 Arzneimitteln. Die Behörde soll zu einer wettbewerbsfähigen Agentur ausgebaut werden, finanziert durch die Pharmaindustrie – der Staatszuschuss wird reduziert. Aus dem Bundesinstitut BfArM wird die Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur, kurz DAMA, so will es die Regierung.

Die Idee zu dem Umbau kommt direkt aus der Pharmaindustrie. Je schneller ein Arzneimittel auf dem Markt ist, desto höher ist der Gewinn. Damit die neue Agentur in diesem Sinne funktioniert, soll sie sich bei den Zulassungen bald nur noch aus Gebühren der Pharmaindustrie finanzieren. Kritiker warnen vor Interessenkonflikten.

Sorgen um die Sicherheit
Die Ärzte fürchten um die Sicherheit der Arzneimittel und zweifeln an der Unabhängigkeit der Organisation. Der Pharmakologe Prof. Peter Schönhofer verdeutlicht: „Die Arzneimittelsicherheit kann nur umgesetzt werden gegen das Marketinginteresse der Pharmaindustrie. Arzneimittelsicherheit geht immer zu Lasten des Umsatzes von Arzneimitteln.“

Aus der laufenden Überwachung der Pillen will sich der Staat noch weiter zurückziehen. Die Gelder werden drastisch gekürzt. Das kann gefährlich werden für Patienten, wenn sie auf neue Medikamente wie in der Krebstherapie angewiesen sind, verdeutlicht Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Mitglied der der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft: „Wir wissen aus Untersuchungen in den USA, dass etwa bei 50% der zugelassenen Arzneimittel schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Zulassung erst erkannt werden.“

Doch selbst bei dieser ureigenen Staatsaufgabe nimmt die Regierung in Kauf, dass Finanzlücken demnächst mit Pharmageldern gestopft werden müssen.

Prof. Wolf-Dieter Ludwig erklärt: „Wir müssen unbedingt verhindern, dass für die Überwachung der Arzneimittelsicherheit Gelder der pharmazeutischen Industrie verwendet werden. Ich glaube, dieser Bereich ist ein so sensibler Bereich, und er muss unbedingt ohne die Unterstützung der pharmazeutischen Industrie finanziert werden.“
Regierung zeigt sich Uneinsichtig
Das DAMA-Errichtungsgesetz hat im Parlament schon die erste Lesung hinter sich, die Kritik bei der Anhörung war nahezu einhellig. Dr. Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale erklärt: „Aus Verbrauchersicht besteht die Gefahr, dass das hohe Gut der Arzneimittelsicherheit den Interessen der Industrie geopfert wird.“ Sein Kollege Dr. Hans-Jürgen Kammler bestätigt diesen Verdacht: „Aus Sicht der in verdi organisierten Mitarbeiter des BfArM wird mit dem Gesetzentwurf die Arzneimittelsicherheit nicht höher sondern eher geringer.“

Ob die geballte Kritik etwas nutzt? Im Bundesgesundheitsministerium heißt die Devise offenbar: Augen zu und durch.

Der Staatssekretär des Bundesgesundheitsministerium Dr. Klaus Theo Schröder reagiert versöhnlich: „Die Kritiker werden sehen, wenn die DAMA die Arbeit aufgenommen hat, und wir laden sie alle ein, in zwei, drei Jahren. Die Praxis ist das beste Gegenargument gegen das, was heute von einigen vermutet wird.“

Bei der amerikanischen Pille, nach deren Einnahme Detlef Hutflies krank wurde, hat die US-Überwachung versagt. Daraus sollte man in Deutschland eigentlich gelernt haben.

Autor: Herbert Stelz
Quelle: http://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,9eqtz9cuv4mp952w~cm.asp
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