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 Christian Morgenstern: *06.05.1871 06.05.2002 (08:12 Uhr) OPPI
Christian Morgenstern
Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern
*06.05.1871 (München)
+31.03.1914 (Meran/Italien)

deutsch. Dichter, Dramaturg, Journalist, Übersetzer, Sohn des Malers Carl Ernst Morgenstern, Enkel des Landschaftsmalers Christian Ernst Morgenstern (1805-1867), schrieb Grotesken, Gedankenlyrik, Aphorismen, stark beeinflusst von Schopenhauer, Nietzsche und dem Anthroposophen R. Steiner, starb 1914 an Tuberkulose.

Nach Gymnasium und Militärschule studierte Morgenstern ab 1892 Volkswirtschaft und Rechte an der Universität in Breslau. Seine ersten Werke erschienen in dem von ihm herausgegebenen Blatt »Deutscher Geist«. 1893 erkrankte er an Tuberkulose und musste sein Studium abbrechen; in den nächsten Jahren folgten mehrere Kur- und Sanatoriumsaufenthalte. Ab 1894 arbeitete er als freier Schriftsteller, Redakteur und Journalist für die »Tägliche Rundschau« und die »Freie Bühne«, später als Dramaturg, Herausgeber der Zeitschrift »Das Theater« und als Lektor beim Bruno Cassirer Verlag. 1895 veröffentlichte Morgenstern den Nietzsche gewidmeten Band »In Phantas Schloß« und begann die ersten »Galgenlieder« für den »Bund der Galgenbrüder« zu schreiben. Morgenstern unternahm zahlreiche Reisen, vor allem nach Italien und in die Schweiz. 1910 heiratete er Margareta Gosebruch, mit der er sich 1911 in Arosa niederließ. Er starb am 31.03.1914 an Tuberkulose.

Werke:


'In Phantas Schloß' (1895)
'Und aber ründet sich ein Kranz' (1902)
'Galgenlieder' (1905)
'Palmström' (1910)
'Ich und Du' (1911)
'Wir fanden einen Pfad' (1914)
'Stufen'
'Der Gingganz' (posthum 1919)

Es muß erreicht werden, dass bei Nennung des Namens Christian Morgenstern nicht sofort jedermann die Assoziation vom grotesken Spaßbold der »Galgenlieder« und des »Palmström« aufblitzt, sondern dass man weiß: dieser Dichter formte das Problem »Ich und die Welt« zu vielen schönen, zarten, tiefsinnigen Gedichten, die schließlich zur relgiösen Erkenntnis asiatischer Weisheit reiften.
Kurt Pintus, Beiblatt der Zeitschrift für Bücherfreunde, Aug./Sep. 1917


Der Seufzer

Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und träumte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.

Der Seufzer dacht an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein -
und er sank - und ward nimmer gesehen.

Das ästhetische Wiesel

Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel
inmitten Bachgeriesel.

Wißt ihr
weshalb?
Das Mondkalb
verriet es mir
im stillen:

Das raffinier-
te Tier
tat's um des Reimes willen.

Gruselett

Der Flügelflagel gaustert
durchs Wiruwaruwolz,
die rote Fingur plaustert,
und grausig gutzt der Golz.

Sonnenuntergang

Am Untersaum
des Wolkenvorhangs
hängt der Sonne
purpurne Kugel.
Langsam zieht ihn
die goldene Last
zur Erde nieder,
bis die bunten Falten
das rotaufzuckende Grau
des Meeres berühren.
Ausgerollt ist
der gewaltige Vorhang.
Der tiefblaue Grund,
unten mit leuchtenden Farben
breit gedeckt,
bricht darüber
in mächtiger Fläche hervor,
karg mit verrötenden
Wolkenguirlanden durchrankt
und mit silbernen Sternchen
glitzernd durchsät.
Aus schimmernden Punkten
schau ich das Bild
einer ruhenden Sphinx
kunstvoll gestickt.

Eine Ankerkugel,
liegt die Sonne im Meer.
Das eintauchende Tuch,
schwer von der Nässe,
dehnt sich hinein in die Flut.
Die Farben blassen,
mählig verwaschen.
Und bald strahlt
vom Himmel zur Erde
nur noch
der tiefe, satte Ton
blauschwarzer Seide.

Aus: In Phanta's Schloß, Ein Zyklus humoristisch-phantastischer Dichtungen, 1894-1895

Philanthropisch

Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
wäre besser ohne sie daran;
darum seh er, wie er ohne diese
(meistens mindstens) leben kann.

Kaum daß er gelegt sich auf die Gräser,
naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,
naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
und der Hummel ruft zum Sturm.

Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
tut drum besser, wieder aufzustehn
und dafür In andre Paradiese
(beispielshalber: weg) zu gehn.

Aus: Galgenlieder, 1895-1905

Der Träumer

Palmström stellt ein Bündel Kerzen
auf des Nachttischs Marmorplatte
und verfolgt es beim Zerschmelzen.

Seltsam formt es ein Gebirge
aus herabgefloßner Lava,
bildet Zotteln, Zungen, Schnecken.

Schwankend über dem Gerinne
stehn die Dochte mit den Flammen
gleichwie goldene Zypressen.

Auf den weißen Märchenfelsen
schaut des Träumers Auge Scharen
unverzagter Sonnenpilger.

Die Enten laufen Schlittschuh

Die Enten laufen Schlittschuh
auf ihrem kleinen Teich.
Wo haben sie denn die Schlittschuh her -
sie sind doch gar nicht reich?

Wo haben sie denn die Schlittschuh her?
Woher? Vom Schlittschuhschmied!
Der hat sie ihnen geschenkt, weißt du,
für ein Entenschnatterlied.


Zitate:

»Über jedem guten Buche muss das Gesicht des Lesers von Zeit zu Zeit hell werden. Die Sonne innerer Heiterkeit muss zuweilen von Seele zu Seele grüßen, dann ist auch im schwierigsten Falle vieles in Ordnung.«

»Bemerke, wie die Tiere das Gras abrupfen. So groß ihre Mäuler auch sein mögen, sie tun der Pflanze selbst nie etwas zuleide, entwurzeln sie niemals. So handle auch der starke Mensch gegen alles, was Natur heißt, sein eigenes Geschlecht voran. Er verstehe die Kunst: vom Leben zu nehmen, ohne ihm zu schaden.«

»Das Leben zeugt Blumen und Bienen. Blumen, das sind die schöpferischen Geister, und Bienen die andern, die daraus Honig sammeln.«

»Das Leben ist die Suche des Nichts nach dem Etwas.«

»Den Charakter eines Menschen erkennt man an den Scherzen, die er übelnimmt.«

»Den Wolken wird vielleicht einstmals eine besondere Verehrung gezollt werden; als der einzigen sichtbaren Schranke, die den Menschen vom unendlichen Raum trennt, als der gnädige Vorhang vor der offenen vierten Wand unserer Erdenbühne.«

»Der Geist baut das Luftschiff, die Liebe aber macht gen Himmel fahren.«

 Re: Christian Morgenstern: *06.05.1871 06.05.2002 (08:15 Uhr) Dietlinde
> Christian Morgenstern
> Christian Otto Josef Wolfgang Morgenstern
> *06.05.1871 (München)
> +31.03.1914 (Meran/Italien)
>
> deutsch. Dichter, Dramaturg, Journalist, Übersetzer, Sohn
> des Malers Carl Ernst Morgenstern, Enkel des
> Landschaftsmalers Christian Ernst Morgenstern
> (1805-1867), schrieb Grotesken, Gedankenlyrik,
> Aphorismen, stark beeinflusst von Schopenhauer, Nietzsche
> und dem Anthroposophen R. Steiner, starb 1914 an
> Tuberkulose.
>
> Nach Gymnasium und Militärschule studierte Morgenstern ab
> 1892 Volkswirtschaft und Rechte an der Universität in
> Breslau. Seine ersten Werke erschienen in dem von ihm
> herausgegebenen Blatt »Deutscher Geist«. 1893 erkrankte
> er an Tuberkulose und musste sein Studium abbrechen; in
> den nächsten Jahren folgten mehrere Kur- und
> Sanatoriumsaufenthalte. Ab 1894 arbeitete er als freier
> Schriftsteller, Redakteur und Journalist für die
> »Tägliche Rundschau« und die »Freie Bühne«, später als
> Dramaturg, Herausgeber der Zeitschrift »Das Theater« und
> als Lektor beim Bruno Cassirer Verlag. 1895
> veröffentlichte Morgenstern den Nietzsche gewidmeten Band
> »In Phantas Schloß« und begann die ersten »Galgenlieder«
> für den »Bund der Galgenbrüder« zu schreiben. Morgenstern
> unternahm zahlreiche Reisen, vor allem nach Italien und
> in die Schweiz. 1910 heiratete er Margareta Gosebruch,
> mit der er sich 1911 in Arosa niederließ. Er starb am
> 31.03.1914 an Tuberkulose.
>
> Werke:
>
>
> 'In Phantas Schloß' (1895)
> 'Und aber ründet sich ein Kranz' (1902)
> 'Galgenlieder' (1905)
> 'Palmström' (1910)
> 'Ich und Du' (1911)
> 'Wir fanden einen Pfad' (1914)
> 'Stufen'
> 'Der Gingganz' (posthum 1919)
>
> Es muß erreicht werden, dass bei Nennung des Namens
> Christian Morgenstern nicht sofort jedermann die
> Assoziation vom grotesken Spaßbold der »Galgenlieder« und
> des »Palmström« aufblitzt, sondern dass man weiß: dieser
> Dichter formte das Problem »Ich und die Welt« zu vielen
> schönen, zarten, tiefsinnigen Gedichten, die schließlich
> zur relgiösen Erkenntnis asiatischer Weisheit reiften.
> Kurt Pintus, Beiblatt der Zeitschrift für Bücherfreunde,
> Aug./Sep. 1917
>
>
> Der Seufzer
>
> Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
> und träumte von Liebe und Freude.
> Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
> glänzten die Stadtwallgebäude.
>
> Der Seufzer dacht an ein Maidelein
> und blieb erglühend stehen.
> Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein -
> und er sank - und ward nimmer gesehen.
>
> Das ästhetische Wiesel
>
> Ein Wiesel
> saß auf einem Kiesel
> inmitten Bachgeriesel.
>
> Wißt ihr
> weshalb?
> Das Mondkalb
> verriet es mir
> im stillen:
>
> Das raffinier-
> te Tier
> tat's um des Reimes willen.
>
> Gruselett
>
> Der Flügelflagel gaustert
> durchs Wiruwaruwolz,
> die rote Fingur plaustert,
> und grausig gutzt der Golz.
>
> Sonnenuntergang
>
> Am Untersaum
> des Wolkenvorhangs
> hängt der Sonne
> purpurne Kugel.
> Langsam zieht ihn
> die goldene Last
> zur Erde nieder,
> bis die bunten Falten
> das rotaufzuckende Grau
> des Meeres berühren.
> Ausgerollt ist
> der gewaltige Vorhang.
> Der tiefblaue Grund,
> unten mit leuchtenden Farben
> breit gedeckt,
> bricht darüber
> in mächtiger Fläche hervor,
> karg mit verrötenden
> Wolkenguirlanden durchrankt
> und mit silbernen Sternchen
> glitzernd durchsät.
> Aus schimmernden Punkten
> schau ich das Bild
> einer ruhenden Sphinx
> kunstvoll gestickt.
>
> Eine Ankerkugel,
> liegt die Sonne im Meer.
> Das eintauchende Tuch,
> schwer von der Nässe,
> dehnt sich hinein in die Flut.
> Die Farben blassen,
> mählig verwaschen.
> Und bald strahlt
> vom Himmel zur Erde
> nur noch
> der tiefe, satte Ton
> blauschwarzer Seide.
>
> Aus: In Phanta's Schloß, Ein Zyklus
> humoristisch-phantastischer Dichtungen, 1894-1895
>
> Philanthropisch
>
> Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
> wäre besser ohne sie daran;
> darum seh er, wie er ohne diese
> (meistens mindstens) leben kann.
>
> Kaum daß er gelegt sich auf die Gräser,
> naht der Ameis, Heuschreck, Mück und Wurm,
> naht der Tausendfuß und Ohrenbläser,
> und der Hummel ruft zum Sturm.
>
> Ein nervöser Mensch auf einer Wiese
> tut drum besser, wieder aufzustehn
> und dafür In andre Paradiese
> (beispielshalber: weg) zu gehn.
>
> Aus: Galgenlieder, 1895-1905
>
> Der Träumer
>
> Palmström stellt ein Bündel Kerzen
> auf des Nachttischs Marmorplatte
> und verfolgt es beim Zerschmelzen.
>
> Seltsam formt es ein Gebirge
> aus herabgefloßner Lava,
> bildet Zotteln, Zungen, Schnecken.
>
> Schwankend über dem Gerinne
> stehn die Dochte mit den Flammen
> gleichwie goldene Zypressen.
>
> Auf den weißen Märchenfelsen
> schaut des Träumers Auge Scharen
> unverzagter Sonnenpilger.
>
> Die Enten laufen Schlittschuh
>
> Die Enten laufen Schlittschuh
> auf ihrem kleinen Teich.
> Wo haben sie denn die Schlittschuh her -
> sie sind doch gar nicht reich?
>
> Wo haben sie denn die Schlittschuh her?
> Woher? Vom Schlittschuhschmied!
> Der hat sie ihnen geschenkt, weißt du,
> für ein Entenschnatterlied.
>
>
> Zitate:
>
> Ȇber jedem guten Buche muss das Gesicht des Lesers von
> Zeit zu Zeit hell werden. Die Sonne innerer Heiterkeit
> muss zuweilen von Seele zu Seele grüßen, dann ist auch im
> schwierigsten Falle vieles in Ordnung.«
>
> »Bemerke, wie die Tiere das Gras abrupfen. So groß ihre
> Mäuler auch sein mögen, sie tun der Pflanze selbst nie
> etwas zuleide, entwurzeln sie niemals. So handle auch der
> starke Mensch gegen alles, was Natur heißt, sein eigenes
> Geschlecht voran. Er verstehe die Kunst: vom Leben zu
> nehmen, ohne ihm zu schaden.«
>
> »Das Leben zeugt Blumen und Bienen. Blumen, das sind die
> schöpferischen Geister, und Bienen die andern, die daraus
> Honig sammeln.«
>
> »Das Leben ist die Suche des Nichts nach dem Etwas.«
>
> »Den Charakter eines Menschen erkennt man an den
> Scherzen, die er übelnimmt.«
>
> »Den Wolken wird vielleicht einstmals eine besondere
> Verehrung gezollt werden; als der einzigen sichtbaren
> Schranke, die den Menschen vom unendlichen Raum trennt,
> als der gnädige Vorhang vor der offenen vierten Wand
> unserer Erdenbühne.«
>
> »Der Geist baut das Luftschiff, die Liebe aber macht gen
> Himmel fahren.«
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Wie sich das Galgenkind
die Monatsnamen merkt

Jaguar
Zebra
Nerz
Mandrill
Maikäfer
Ponny
Muli
Auerochs
Wespenbär
Locktauber
Robbenbär
Zehenbär

[Christian Morgenstern 1871-1914]


Christian Morgenstern

Vom höchsten Ordnungssinn ist nur ein Schritt zur Pedanterie.

Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.

Die zur Wahrheit wandern, wandern allein.

Schlachtfelder sind wir allesamt, auf denen Götter sich bekriegen.


Einander kennenlernen heißt lernen, wie fremd man einander ist.



Christian Morgenstern (1871-1914)

GLÜCK ist wie Blütenduft,
der dir vorüberfliegt...
Du ahnest dunkel Ungeheures,
dem keine Worte dienen -
schließest die Augen,
wirfst das Haupt zurück - -
und, ach!
vorüber ist's.

****************************************
Die zwei Wurzeln

Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.

Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.

Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.

Die eine sagt knig, die andere sagt knag.
Das ist genug für einen Tag.


(Christian Morgenstern)



Wer sich selbst treu bleiben will, kann nicht immer anderen treu bleiben.

(Morgenstern)

Einen Krieg beginnen, heißt nichts weiter, als einen Knoten zerschlagen, statt ihn aufzulösen.

(Christian Morgenstern)


HIER IM WALD mit dir zu liegen,
moosgebettet, windumatmet,
in das Flüstern, in das Rauschen
leise liebe Worte mischend,
öfter aber noch dem Schweigen
lange Küsse zugesellend,
unerschöpflich - unersättlich,
hingegebne, hingenommne,
ineinander aufgelöste,
zeitvergeßne, weltvergeßne.
Hier im Wald mit dir zu liegen,
moosgebettet, windumatmet...

Morgenstern


Stilles Reifen

Alles fügt sich und erfüllt sich,
mußt es nur erwarten können
und dem Werden deines Glückes
Jahr und Felder reichlich gönnen.

Bis du eines Tages jenen
reifen Duft der Körner spürest
und dich aufmachst und die Ernte
in die tiefen Speicher führest. Chr. M.



Christian Morgenstern

Ein Hase sitzt auf einer Wiese
des Glaubens, niemand sähe diese.

Doch im Besitze eines Zeißes,
betrachtet voll gehaltnen Fleißes

vom vis-a-vis gelegnen Berg
ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.

Ihn aber blickt hinwiederum
ein Gott von fern an, mild und stumm.



Der Morgenstern

Woher so früeih, wo ane scho,
Heer Morgestern, enandernoo
in dyner glitzrige Himmelstracht,
in dyner guldige Locke Pracht,
mit dynen Auge, chloor un blau
un suufer gwäschen im Morgetau?

Hesch gmaint, de seigsch ellainig do?
Nai, weger nai, mer mäihe scho!
Mer mäihe scho ne halbi Stund;
früeih ufstoh isch de Glidere gsund,
es macht e frische, frohe Muet,
un d'Suppe schmeckt aim no so guet.

`s gitt Lüt, si dose friili no,
si chönne schier nit uuse choo.
Der Mähder un der Morgestern
stöhn zytli uf un wache gern;
un was rne früeih um vieri tuet,
das chunnt aim z'Nacht um nüüni guet.

Un d'Vögeli sinn au scho do,
si stimmen ihri Pfiifli scho,
un uf ein Baum un hinterm Hag
sait ais im andere guete Tag!
Un 's Turteltüübli ruukt un lacht,
un's Bettzytglöckli isch au verwacht.

"Se helf is Gott, un geb is Gott
e guete Tag, un bhüet is Gott!
Mer betten um e christli Herz,
es chunat aim wohl in Freud un Schmerz;
wer christli lebt, het frohe Muet:
der lieb Gott stoht für alles guet."

Waisch, Jobbeli, was der Morgestern
am Himmel suecht? Me sait's nit gern!
Er wandtet ime Sternli noo,
er cha schier gar nit von ein loo;
doch rnaint sy Muetter,'s müeß nit sii,
un tuet en wie ne Hüehnli ii.

Drum stoht er uf vor Tag un goht
syrn Sternli noo im Morgerot;
er suecht, un's wird ein windeweh,
er möcht ein gern e Schmützli gee;
er möcht ein sagen: "I bi der hold!"
Es wär em über Geld un Gold.
Doch wenn er schier gar by n ein wär,
verwacht sy Muetter handumchehr;
un wenn si rüeft enandernoo,
sen isch rny Bürstli niene do.
Druf flicht sie ihre Chranz ins Hoor
un lueget hinter de Berge vor.

Johann Peter Hebel (10.05.1760-22.09.1829)

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